So schnell ist es auch schon wieder vorbei. Nach elf Monaten Vorbereitung und ganzen acht Vorstellungen von „Linie 1“ endet für die Hochschulbühne Mittweida nun die Saison 2024. Das Feedback unserer Gäste, sowohl altbekannter als auch neuer, ist überwältigend positiv. Insgesamt etwa 20 Stunden lang wurde im Herbert-E.-Graus-Studio der Hochschule Mittweida gelacht, geklatscht und hier und da auch geweint.
Als sich der letzte Vorhang schließt, macht sich im Team der Hochschulbühne eine schwer zu beschreibende Mischung aus Freude, Erleichterung, aber auch Melancholie breit. Bereits Stunden nach der letzten Vorstellung stehen nur noch die Bühnenelemente im zuvor sehr belebten Fernsehstudio. Mittlerweile sind selbst diese zurückgebaut. Zeit für etwas Reflexion.
Ein langes Konzert vieler Gewerke
Wie bereits geschrieben, war es ein langer Kampf zurück vom unfreiwilligen Hiatus bis zur erneuten ersten Aufführung eines Musicals. Für die meisten Ensemble- und Teammitglieder war „Linie 1“ die erste Berührung mit der Aufführung von Musicals. Doch die komplizierte Kombination von Schauspiel, Musik, Tanz und der dafür nötigen Technik hat allen Bereichen viel Arbeit abverlangt.
Dass in „Linie 1“ eine riesige Anzahl Charaktere über die Bühne flitzen, die außerdem noch im Look der 80er-Jahre auftreten müssen, hat dem Team für Kostüm, Maske und Requisite bereits von Anfang an viel Arbeit abverlangt. „Insgesamt mussten wir rund 80 Kostüme, samt Accessoires und Requisiten, bereitstellen“, so Johanna Wicht, Leiterin des Bereichs. Sie war bereits 2023 beim Weihnachts-Showprogramm dabei, damals allerdings als Ensemblemitglied. Diesmal hatte sie sich eine neue Aufgabe gesucht.
Und das war keine einfache. Kostüm- und Maskenkonzepte für alle Charaktere wurden erstellt. Manch ein Kostümfundus wurde nach passender Kleidung durchsucht. Auch die privaten Kleiderschränke des gesamten Teams (und teils die ihrer Eltern) wurden geöffnet. „Einige Teile der Kostüme wurden sogar von meiner Leitungsassistenz, Julia Voll, mit viel Geschick und Liebe zum Detail selbst genäht“, erzählt Wicht stolz.
Für andere Bereiche war eher der Prozess die Herausforderung, nicht die Anforderungen des Materials. So zum Beispiel bei unserer Band.
„Die einjährige Arbeit am Stück war zunächst entspannt“, sagt Lennart Wustmann, Keyboarder und Leiter der achtköpfigen Band. „Das Notenmaterial war nicht unglaublich herausfordernd oder komplex. Trotzdem gab es diverse Hindernisse zu überwinden: den Ausfall eines Bandmitglieds, teils ungenaues Notenmaterial, aber auch das Hinzuschreiben von Noten für die zusätzlichen Instrumente.“ Auch sei die Zusammenarbeit mit den anderen Gewerken manchmal verzwickt gewesen. Die Kommunikation zur musikalischen Vision des Stücks stellte sich zeitweise als schwierig heraus, wie es bei Kunst oft sein kann. Zum Glück ließ sich das aber lösen. „All das hat die Band nur noch mehr zusammenschweißt“, schließt Wustmann.
Unsichtbare Helfer
Als es dann nach der langen Vorarbeit so weit war, stand natürlich die intensivste Woche der Saison an. Die Arbeit begann für die ersten Teams schon gut vier Stunden vor dem Vorstellungsstart. Das passend zum Bahnhofs-Thema gestaltete Foyer des Zentrums für Medien und Soziale Arbeit musste täglich hergerichtet werden. Auch den Backstage-Bereich galt es jeden Tag vorzubereiten. Rund um jede Aufführung wurde das fast hundertköpfige Team mit Getränken, selbst geschmierten Brötchen und teils sogar mit warmen Mahlzeiten versorgt.
Solche Details sieht man von außen gar nicht, sind aber eine integrale Zutat für eine erfolgreiche Vorstellung. Man darf nicht vergessen: Alle Teammitglieder sind Studierende oder Mitarbeitende der Hochschule und kommen meistens nach langen Tagen voll Unterricht oder Arbeit ins Studio, um dann im Schnitt weitere sechs Stunden dort zu verbringen. Ein voller Magen und ein entspannter Rückzugsort sind da wichtig. Entsprechend viel hatte das Organisations-Team also hinter den Kulissen zu tun.
Nach dem Ende jeder Vorstellung ging es mit der Arbeit immer noch weiter. Die Foyer-Dekoration musste für die Nacht abgebaut und verstaut, der Teambereich gesäubert und der nächste Tag geplant werden, bevor es erschöpft ins Bett ging.
Schminken und Anziehen im Akkord
Doch natürlich auch auf und hinter der Bühne war die Woche ein Abenteuer. Für das Ensemble begann der Tag meistens in der Maske. Da es mit dem Schinken und Frisieren während der Aufführungen ziemlich schnell gehen musste, konnten wir nicht die normalen Maskenräume des Fernsehstudios nutzen. Stattdessen wurden an den Enden der Kulisse zwei Maskenstationen eingebaut. Rings um sie herum hingen Stangen voller Kleidung und Kisten mit Requisiten, allesamt mit Rollen- und Darstellernamen markiert.
„Die Produktion von Linie 1 stellte uns bezüglich Kostümen und Requisiten vor besondere Herausforderungen, da das Musical eine beeindruckend hohe Zahl an schnellen und komplexen Umzügen erforderte“, erinnert sich Wicht. „Doch auch unser Masken-Team hatte vor und während der Aufführungen alle Hände voll zu tun, denn neben den Kostümwechseln mussten natürlich auch Frisuren und Make-up in kürzester Zeit angepasst werden. Ein intensiver und kreativer Prozess, der nur durch die enge Zusammenarbeit und das Engagement aller Beteiligten möglich war.“
Insbesondere die jeweils vier Darsteller, die während der Pause in die Kleider, Hüte und femininen Make-ups der Wilmersdorfer Witwen schlüpfen mussten – und danach wieder in ihre anderen Rollen – waren aufwendig.
Von laut bis leise
Sobald das Make-up und die ersten Kleidungsstücke an den Körpern waren, ging es zu den Kollegen von der Tontechnik. Jedes Ensemblemitglied bekam einen Taschensender, der dem jeweiligen Rollenpaket zugeordnet war. Diese klare Zuordnung war wichtig, da am Tonpult die ganzen Szenen mit ihren darin vorkommenden Rollen schnell durchgeschaltet werden mussten. Dazu waren sie fest eingespeichert.
Trotzdem konnte es immer mal vorkommen, dass kleinste Änderungen zu Problemen führen. Daher musste jeden Tag die Tontechnik getestet werden. Gab es einen Kabelbruch in einem Mikrofon? Sind die Headset-Bügel noch intakt? Und sind die Akkus ausreichend aufgeladen, um die komplette Vorstellung durchzuhalten?
Zur Sicherheit wurde dann auch noch jedes Ensemblemitglied zum sogenannten Ansprechen des eigenen Mikrofons auf die Bühne geholt. Dabei redet man, meist quer durch verschiedene Lautstärken, vor sich hin. Fun fact: Am häufigsten wurde dabei über das Frühstück des jeweiligen Tages referiert.
Von kleinen und großen Hürden
Es wäre ja langweilig, wenn alles immer rund laufen würde. Auch in unserer Aufführungswoche galt es, den einen oder anderen Stolperstein zu überspringen. Klar, natürlich gab es die üblichen kleinen Hänger; mal wird vor Aufregung etwas Text durcheinandergewirbelt, mal ein Ton nicht ganz getroffen oder mal der Knopf fürs nächste Motiv auf der LED-Wand etwas zu früh gedrückt. Aber meistens sind so etwas Fehler, die dem Publikum kaum auffallen.
Ein etwas größerer Schlag war, dass uns mitten in der Aufführungswoche eine Krankheitswelle erwischte. Quer durch alle Gewerke fielen mehrere Mitglieder für ein bis zwei Tage aus. Beim Ensemble waren wir zum Glück von Anfang an so vorsichtig, mit zwei Besetzungen zu planen. So konnten die meisten Rollen durch Alternativen besetzt wurden. Doch natürlich kam es, wie es kommen musste: Zunächst fiel ausgerechnet einer der wenigen Darsteller aus, die in beiden Besetzungen spielen müssen, und dann noch beide Besetzungen eines anderen Rollenpakets. Obendrein erwischte es auch noch den Schlagzeuger der Band, die Inspizientin und die Technikerin, die die Inhalte der LED-Wand sekundengenau steuerte.
Dass wir in dieser Situation binnen Stunden eine Lösung finden konnten, grenzt immer noch an ein kleines Wunder und zeugt vom Engagement des Teams. Sofort meldeten sich Ensemblemitglieder freiwillig, kurzfristig Texte zu lernen und die vakanten Rollen auszufüllen. Und zum Glück war Moritz Holm, einer unserer Tontechniker, letztes Jahr der Drummer unserer Band und durch die vielen Proben mit den Songs des Stücks vertraut. Der Regisseur, Prof. Mike Winkler, übernahm selbst die Position des Inspizienten und Witiko Dietrich, sonst als Leiter des Technikteams als Springer unterwegs, arbeitete sich kurzfristig in die Steuerung der LED-Wand ein.
Die Vorstellung lief dann besser, als wir es zunächst glauben konnten. Das Publikum, vor Beginn über die ungewöhnlichen Umstände informiert, verzieh die kleinen Fehler und spendierte insbesondere dem eingesprungenen Drummer einen Sonderapplaus.
Ein Erfolg in vollen Zügen
Schon am nächsten Tag waren die meisten der krank Gewordenen zum Glück wieder fit. So konnten wir die restlichen Aufführungen ohne größere Probleme spielen und das Projekt zu einem äußerst erfolgreichen Abschluss bringen. „Ich bin wirklich stolz auf das Team“, resümiert Mike Winkler. „Dieses Musical war eine Herausforderung für alle Gewerke. Dass wir unser Publikum so begeistern konnten, ist dem motivierten Team und dem gut verzahnten Leitungsteam zu verdanken.“
Die traditionelle Dernièrenfeier nach der letzten Vorstellung war dann wie immer ein gleichsam schöner wie emotionaler Moment. Viele Teammitglieder werden in der nächsten Saison nicht mehr dabei sein können, da sie sich ins Praktikum oder Auslandssemester verabschieden müssen. Aber das Versprechen, sich bei der nächsten Generalprobe wiederzusehen, steht.
Die Proben fürs nächste Stück beginnen bereits im Januar. Was wir spielen wollen, steht schon fest, ist aber natürlich noch ein Geheimnis. „Nächstes Jahr wird es – so denn dafür der Cast passt – womöglich das Aufwendigste, das die Hochschulbühne Mittweida bisher aufgeführt hat“, verrät Winkler. „Aber jetzt erholen wir uns erstmal von den Aufführungen und verabschieden uns in die wohlverdiente Weihnachtspause.“